Über den Autor:

 

Dr. rer. pol. Salim M. Ali, geb. 1954 in Indien, Studium der Sozialwissenschaften in Deutschland, Promotion in Wirt-schafts- und Sozialwissenschaften in Deutschland. Schwerpunkte Welternährung und Nahrungsmittelsoziologie. Von 1992 bis 2010 Lehrbeauftragter in den Fachbereichen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität Oldenburg. Gründer des WPP (World Potato Program) und Autor mehrerer Bücher über die Beseitigung des weltweiten Hungers, Unterernährung und Verzicht auf Nahrungsmittel tierischer Herkunft.

 

Kurzgeschichten

 

Sehr scharf

Frauenemanzipation und neue Frauenberufe

 

Sie heißt Emily und wir kennen sie von ihrer Geburt an, weil ihre Eltern unsere langjährigen Freunde sind. Emily ist kein einfaches Mädchen, denn - unübliche Sachen zu machen, ist ihr Hobby. In der achten Klasse hatte sie in ihrer Schule eine Großveranstaltung zum Welthunger organisiert; zu ihrem 16. Geburtstag hatte sie alle Mädchen aus ihrer Verwandschaft aus ganz Deutschland zu sich nach Hause eingeladen. Bei der DLRG ist sie unter Extrembedingungen eine Rettungs- Schwimmerin und Rettungstaucherin, eigentlich eine Männerdomäne. Emily kann Gitarre spielen, singen und sie ist beliebt bei allen. Nach dem Abitur ging sie über das "Work and Travel Program" für ein Jahr nach Australien, kaufte dort mit einem Freund und einer Freundin für 400 Dollar ein altes, klappriges Auto; tuckerte zu dritt über den ganzen Kontinent und verdiente ihren Lebensunterhalt in Restaurants und Bauernbetrieben.

 

Als sie nach einem Jahr wieder zu Hause ankam, sagte die strenge Mama: "Egal was du lernen möchtest, mache es schnell, die Zeit bleibt für dich nicht stehen." Mit einem Lächeln antwortete sie, dass ihr Zukunftsplan fest steht, sie wird Schiffskapitän und hatte für ein duales Studium einen Vertrag mit einer Reederei unterschrieben. Die Eltern waren baff, aber sie hatten nichts dazu zu sagen, außer ruhig zu bleiben und einverstanden zu sein.

 

Frauen in Männerberufen sind eine neue zunehmende Herausforderung, wobei in vieler Hinsicht bewiesen werden konnte, dass Frauen besser als die Männer sind. Die Zeiten der  Kinder und Küche für Frauen sind fast vorbei. Außerdem wuchs die Weltbevölkerung innerhalb von 100 Jahren von einer Milliarde zu acht Milliarden Menschen und es ist für viele nicht mehr denkbar, mehr als ein Kind zu erzeugen. Die Europäer haben begonnen, die richtige Familienplanung zu machen, obwohl Menschen einiger Länder darauf pochen, mit der Bevölkerungsvermehrung, eines Tages die Welt zu erobern, was nicht einfach sein wird.

 

Die beste Methode um Bevölkerungswachstum zu  reduzieren, ist die der Frauenbildung und Frauenerwerbstätigkeit. Ärztinnen und Krankenschwestern verwalten ein ganzes Krankenhaus; Lkw-Fahrerin, Fussballschiedsrichterin, Feuerwehrfrau sind heute keine Seltenheit mehr. Der Hintergrund dafür, warum Frauen es besser können, liegt an deren Geduld, Ausdauer und ihrem unendlichen Diskussionsvermögen.

 

Der Frauenbeitrag auf einer Seereise war nur auf die Teilnahme als Passagier begrenzt. Aber das ist Vergangenheit. Auf den Weltmeeren haben Männer viele Probleme, wie z.B. besoffene Kapitäne, die einen Unfall verursachen, in Trunkenheit mit Crewmitgliedern boxen, so den Blutdruck steigern, einen Schlaganfall erleiden und dadurch untätig werden. Betrunkene Frauen am Arbeitsplatz haben extremen Seltenheitswert und in der Öffentlichkeit verprügeln sie keine Mitarbeiter. Wo liegt das Problem, dass eine Frau kein Kapitän sein kann? Bald wird der Tag kommen, wo Frauen alleine mit den riesigen Schiffen die Ozeane überqueren. Frauen sind potentielle Arbeitskräfte, besitzen Muskelkraft, Denkkraft und können so die Welt verändern. Dies glauben aber viele Männer nicht, obwohl auch solche Männer nur durch Frauen zur Welt gekommen sind.

 

Das Arbeitsleben für Emily hatte begonnen - drei Monate in der nautischen Hochschule und drei Monate auf einem Ozeandampfer. Die Hochschule ist in der Nachbarstadt, aber der praktische Teil findet zwischen allen Weltstrecken auf größeren Frachtern statt. Manchmal meldet sie sich aus New York, manchmal aus Südamerika, manchmal befindet sie sich im  Wirbelsturm und die gesamten Inhalte aus dem Verdauungstrakt kommen raus, manchmal entkommt sie gerade den Seeräubern, und wenn wir sie treffen, erzählt sie mit großer Freude von ihren Erfahrungen auf dem Meer. Im Suezkanal steuerte sie mal ein riesiges 340 m langes Containerschiff alleine, und als der AB-Lotse an Bord kam, verjagt er sie sofort von der Brücke, weil eine Frau dort nichts zu suchen habe.

 

Zu ihren interessanten Erfahrungen zählt eine Begegnung mit dem Kapitän auf der Brücke. Sie stellte sich ihm vor. Der Kapitän sagte daraufhin: "Was möchtest du kleines, blondes Mädel den hier? Willst du die Männer verrückt machen und die Seefahrtromantik genießen? Ich werde dafür sorgen, dass du innerhalb von zwei Wochen wieder von Bord bist. So was kann ich hier nicht gebrauchen." Aber Emily hatte ein dickes Fell und arbeitete diszipliniert und fachmännisch weiter. Kaum war eine Woche vergangen, da wurde Emily von dem Kapitän zu einem Getränk eingeladen. Er entschuldigte sich bei ihr für sein Verhalten am ersten Tag. Der Kapitän meinte, dass, seit Emily da ist, eine bessere Laune an Bord herrsche. Die Männer riechen besser, rasieren sich regelmäßig und von verbaler Entgleisung ist kaum etwas zu spüren.

 

Eines Tages klingelte es an der Tür; da stand Emily. Die Sache ist ein bisschen witzig. Emily kriegt für drei Monat ein neues Schiff. Wo liegt das Problem und was können wir für sie tun? Nun kommt die Katze aus dem Sack - die gesamte Schiffs- Besatzung, vom Kapitän bis zum Koch, sind Inder und Emily wird als einziges Mädchen mit dieser Inderbande drei Monate auf dem endlosen Ozean arbeiten. Für Emily war das kein Problem, weil die Schiffe rund um die Uhr mit der Zentrale verbunden sind. Aber ihrer Mutter hatte es nicht gepasst, weil es viele Gerüchte über Frauenmisshandlungen in Indien gibt. In der Tat, interessiert es die Menschen hier nicht, was in Indien passiert, aber wehe, etwas Falsches geschieht, da werden ihre Ohren sofort hellhörig. Wir haben mit Emily über die möglichen Probleme gesprochen, eine gute Lösung ausgearbeitet und mit Freude ist sie nach Hause gegangen.

 

Wenn eine Schiffsbesatzung aus der ganzen Welt zusammenkommt, gibt es viele Probleme an Bord. Verschiedene Ethnien, Glauben, Sprachen, Hautfarben, das macht alles immer komplizierter, wenn das Schiff für eine längere Zeit auf dem Meer bleibt. Schiffskoller ist eine bekannte Krankheit und wird noch intensiver, wenn die Besatzung aus unterschiedlicher Herkunft stammt. Wenn sie nur aus einem Land kommt, existieren viele dieser Probleme nicht.

 

Etwa zwei Monate später trafen wir die Mutter an der Uferpromenade und sie erzählte uns, dass Emily mit den Indern sehr glücklich ist, weil sie, wie wir beraten haben, gleich am ersten Tag die gesamte Schiffsbesatzung als ihre Brüder gekürt hatte. Jetzt ist sie sogar für den Großvater ähnlichen Schiffskoch die kleine Schwester. Wenn das Schiff in einem fremden Hafen vor Anker liegt, lass die Männer sie nicht alleine in die Stadt gehen, sondern mindestens zwei von ihnen begleiten sie. An Bord feiern die Inder viele Partys. Sie tanzen, singen, kochen verschiedene Essensgerichte und Emily ist immer der Mittelpunkt dabei. So ist sicherlich alles in Butter und keine Hilfe unsererseits mehr nötig. Aber die Mutter antwortete: "Ein Problem ist da noch - das Essen dieser Inder ist sehr scharf, was kann man dagegen tun?" Wir antworteten: "Deine Tochter ist ein bisschen außer Rand und Band, sie isst Capsicum chinen?se*. Es ist nicht einfach, sie zu belästigen." Die Mutter fragte: "Was ist Capsicum chinense?" Wir antworteten: "Es ist eine Chilischote und Sehr scharf."

 

Salim M. Ali

 

* Eine der schärfsten Chilis der Welt

 

Toilettendilemma

 

Nahrung und Notdurft

Essen und Trinken kann praktisch an jedem Ort und in  jedem Zustand des Lebens durchgehführt werden. Dagegen wurde die Notdurft Verrichtung für den kultivierten Menschen genau definiert und exakt eingeschränkt. Kulturelle Einflüsse bestimmen die Geheimhaltung, Verschleierung und Schweigsamkeit über die Nahrungsreste, die den Körper unbedingt verlassen müssen.

 

Ernährungsverbundene Sprachschätze für das Wohlwollen des Lebens sind selbstverständlich. Die aufgenommenen Nahrungsmengen entwickeln vor der Verdauung Geräusche wie Schluckauf, Rülpsen oder Bäuerchen und gehören zu den angemessenen Wortschätzen. Weitere Naturerscheinungen nach der Verdauung wie furzen, pinkeln oder kacken werden als vulgäre Begriffe gekennzeichnet. Selbst der Ausdruck Notdurft für Körperinhaltsentleerung wird als Not oder leidender Zustand bezeichnet. Begriffe, wie verschwinden, erleichtern, Geschäftchen machen, sind verhüllende Ausdrücke , um die Nahrungsreste zu entsorgen. Außerdem sind mit Notdurft verbundene Schimpfwörter in allen zivilisierten Gesellschaften vorzufinden. Diese demütigende Denkweise und abartige Sprachverwendung für den Speiseausgang macht den gewaltigen Unterschied zwischen der Nahrung und der Notdurft.

 

Eine verstopfungskranke Zivilisation

Zivilisation fing an, als die Menschheit durch die Nahrungssicherung ansässig wurde. Die Nahrungsaufnehme wurde in den Vordergrund gestellt, dagegen wurde der Nahrungsausgang vernachlässigt, verheimlicht und verekelt. Durch den Mangel an Toiletten wurde die Notdurft bis zur nächst passenden Möglichkeit unterdrückt. Die autoritäre Erziehung beginnt im frühen Kindesalter, wenn ein Kind anfängt, den Notdurft Befehlen nachzugehen. Mit fortgeschrittenem Alter, werden diese zur Gewohnheit. Der Mensch verfügt über den Einfluss auf Nahrungsaufnahme, aber er hat keinen Einfluss auf die Verdau ung der aufgenommenen Nahrung. Das verdaute Essen sucht den Ausweg , um den Körper zu verlassen. Hier beginnen die Unterdrückungsmechanismen, um den Urin und Kot im Körper festzuhalten. Als Resultat gehören zahlreiche Notdurft verbundene Erkrankungen zum Alltagsleben. Dies ist ein Kapitel in der Humanmedizin, aus der hervorgeht, dass die Obstipation eine Zivilisationskrankheit ist. Klinisch werden die Ernährungsart, der Medikamentenkonsum, die Schwangerschaft, Krankheiten, Reisen, Bewegungsmangel oder Stress dafür verantwortlich gemacht. Es ist in der Tat eine von der Zivilisation diktierte Drosselung der Notdurft, die zu allen Arten von Verstopfungserscheinungen führt.

 

Toiletteneinrichtungen der Industrieländer

Es gibt eine Interpretation der Weltgesundheitsorganisation WHO, welche besagt, dass die Industrieländer ihre Ziele zur Versorgung der Bevölkerung mit Toilettenanlagen zu 100% erreicht haben. Dies Stellungnahme der WHO ist nicht korrekt. Die Kanalisation und das Hygienemanagement der Industrieländer sind selbstverständlich nicht zu beanstanden, aber die Toiletteneinrichtungen sind vorwiegend für geschlossene Gesellschaften bestimmt. Privathaushalte, Büroeinrichtungen, Krankenhäuser oder Bildungseinrichtungen verfügen über ihre eigenen Toilettenanlagen, die von der öffentlichen Nutzung ausgeschlossen sind. Gewerbeeinrichtungen, wie Banken, Einzelhandel, Supermärkte, Bäckerläden, Kleidergeschäfte, Schuhgeschäfte, Drogerien, Apotheken, Elektronikläden, Reisebüros, Buchhandlungen, etc. bieten überhaupt keine Toiletten für ihre Kunden an. Eine öffentliche Toilettenanlage ist nicht bedarfsgemäß vorhanden und wenn eine dieser Toiletten vorzufinden ist, ist die Anlage entweder nicht verwendbar, geschlossen oder sie ist gebührenpflichtig. Außerdem ist es eine erniedrigende Aufgabe, wenn Bedienstete in den öffentlichen Toiletten für eine Geldspende betteln müssen. Notdurft in der Öffentlichkeit ist schlechthin unmöglich und die Suche nach einer geeigneten Stelle dafür ist schicksalhaft und kann als ein Akt der Rechtswidrigkeit (§ 118 Ordnungswidrigkeitengesetz) bestraft werden.

 

Falsche Toilettenvorstellung

Toiletteneinrichtungen außerhalb des Hauses sind vorwiegend in einem Restaurant oder in einer Cafeteria vorzufinden. Die Mehrheit der Gastwirtschaften stellen die Toiletten nur für eigene Gäste zur Verfügung. Einige Gastwirte dulden die Toilettenbenutzung gegen ein Entgelt. Sehr selten wird die Toilette kostenlos für alle Besucher zur Verfügung gestellt.

 

Es ist Unsinn sich vorzustellen, dass in einem Restaurant gegessen wird und anschließend die aufgenommene Nahrung in den Toiletten desselben Restaurants ausgeschieden werden kann. Der Verdauungsprozess für feste Nahrung bis zur AusScheidung dauert durchschnittlich 24 Stunden. Jedoch beträgt der Aufenthalt eines Kunden in einem Restaurant weniger als eine Stunde. Aus diesem Grund liegt für viele Menschen die Veranlassung nahe, unterwegs eine Restaurant zu besu-chen, nicht unbedingt, um den Nahrungsbedarf zu stillen, sondern primär am Notdurft Bedarf.

 

Die passive Vorstellung eines Restaurants als öffentliche Toilette ist absolut falsch und hygienisch unvertretbar. Die weltberühmten Fastfood-Restaurantketten sind oft eine Art Toilettenschild. Viele Menschen steuern dies Schilder nur an, um deren Toiletten aufzusuchen. Einige Menschen konsumieren dort eine kleine Mahlzeit und viele verlassen im Stillen die An- lage ohne sich an den Ausgabeschalter zu wenden. Die Großzügigkeit der Toilettenangebote dieser Restaurantketten ist auch eine der wichtigsten Ursachen deren wirtschaftlichen Erfolges.

 

Toiletten für Frauen - die ungerechte Aufteilung

Die Anatomie und Physiologie von Mann und Frau weisen keine bemerkenswerten Unterschiede in der Nahrungsaufnahme, Verdauung und Ausscheidung auf. Dennoch wird das männliche Geschlecht bei der Notdurft bevorzugt. Männer dürfen im Notfall, mit dem Rücken zur Öffentlichkeit, an vielen Stellen urinieren. Für eine Frau könnte das zum Verhängnis werden. In der Öffentlichkeit werden für die Männer doppelt so viele Toilettenanlagen zur Verfügung gestellt, da neben der Toilette ein Pissoir selbstverständlich ist. Für Frauen ist für beide Zwecke der Notdurft nur eine Anlage vorhanden. Beim Zwischenstopp eines Reisebusses, mit denen oft auch Ehepaare reisen, stürmen alle Reisenden in Richtung Toilettenanlage. Die Männer benutzen gleichzeitig Pissoirs und Toiletten und finden zusätzlich Verstecke neben Bäumen und Pfählen. Aber die Frauen müssen mit langen Warteschlangen rechnen, um die wenigen Toiletten in Anspruch zu nehmen. Die weibliche Bevölkerung leidet doppelt so oft an Verstopfungskrankheiten wie die männliche, weil die zivilisierte Gesellschaft die Not- durft der Frauen nicht sehr berücksichtigt und die Frauen es ebenfalls gelernt haben, dies zu dulden, zu schweigen und weiterhin zu leiden. Hier ist die gute Toilette zu Hause und die wenigen Toiletten in der Öffentlichkeit vielleicht eine schlaue Strategie, um die Frauen an den eigenen Haushalt zu fesseln.

 

Wer häufig die Toilette braucht

Alle Menschen brauchen jederzeit die Toilette. Dennoch benötigt ein Anteil der Bevölkerung häufiger die Toilette als die anderen. Kleinkinder, ältere Menschen, Frauen während der Menstruation, während einer Schwangerschaft, Menschen mit chronischen Krankheiten, Behinderte, Medikamente Konsumierende, sowie Reisende sind die Menschen, die oft die Toilette in ihrer Nähe brauchen. Aus gesundheitlichen Gründen können viele Menschen Urin und Stuhlgang nicht zurückhalten und verlassen deshalb selten das Haus. Die gesellschaftlichen Einschränkungen, aufgrund der Notdurft, stellen einen Teil der Bevölkerung zwangsweise unter Hausarrest.

 

Die möglichen Aussichten

Luftfahrt, Schifffahrt und Schienenverkehr verfügen über ausreichende Toilettenanlagen an Bord, weil unterwegs ein Notdurft-Stopp nicht möglich ist. Diese Beispiele können im Alltagsleben umgesetzt werden. Fast an jedem Wohngebiet befindet sich die Wasserversorgung und Kanalisation, die für die Einrichtung einer Art Überalltoilette benutzt werden könnte. Für die Zwecke des Kostenfaktors soll die bisherige Lebensmittelsteuer zur Nahrungs- und Entsorgungssteuer umbenannt werden. Außerhalb einer Siedlung könnten Regenwassertanks, Solaranlagen, Windanlagen und Erdgruben für die natürliche Entsorgung behilflich sein. Toiletten-Beschmutzer stammen vorwiegend aus der Umgebung, hinterlassen einen genetischen Fingerabdruck, womit Wiederholungstäter leicht ausfindig gemacht werden können. Eine neue Art der Industrie und Dienstleistung wird Zustandekommen, die die Toiletteneinrichtungen bauen und pflegen, deren Mitarbeiter von den Steuereinnahmen bezahlt werden. Das Allerwichtigste des Lebens ist die Nahrung und die Notdurft ist dessen Vervollständigung.

 

Salim M. Ali

 

 

Der Lebenslauf einer heiligen Kuh

oder

Gülleplanet

 

Ich bin als Kuh in Indien zur Welt gekommen. Lächelt ihr? Es wird aber ernst! Seit meiner Geburt hat das zweibeinige Tier, das Mensch genannt werden möchte, mir endlose Folter zugefügt. Zuerst hat er die Milch aus meiner Mutter Euter weggenommen und ich bin die meiste Zeit hungrig und durstig geblieben, weil ich in diesem Alter kein Gras fressen konnte. Durch weniger Futter wurde mein Körper hager und mager. Von klein auf an musste ich harte Arbeit in der Landwirtschaft verrichten und Schläge und Schimpfe waren nicht selten. Aufgrund der dauerhaften Arbeit und wenig Futter war ich durch- weg müde und so verkauften sie mich auf einem Viehmarkt.

 

Danach begann eine lange Reise, zusammen mit anderen Rindern, die auch ähnliche Schicksale wie ich hatten. Laufen und laufen, Flüsse überqueren - schließlich brachte ein Lastwagen uns zum Vorplatz eines Schlachthofes, wo wir mit leeren Bäuchen auf's Krepieren warten mussten. Ich träumte - Regenwälder, rauschendes Wildwasser, grünes saftiges Gras, weglaufen vor einem anschleichenden Tiger - und plötzlich wurde ich wach, jemand hatte mich getreten, in den Schlachthof hereingezogen und band meine Beine zusammen. Ich war völlig unschuldig. Mein lauthals geschriener Protest war verge- bens. Mit dem nachfolgenden stundenlang andauernden grauenhaften Kapitel meines Lebens möchte ich das empfindliche Gemüt der zivilisierten Menschen nicht verderben. Mein Fleisch haben sie verkauft, exportiert und meine Haut haben sie an eine Gerberei geliefert. Im Altertum hatten die Menschen hier kaum Leder verwendet, liefen meistens barfuß oder benutz-ten Holzschuhe. Allerdings sind jedoch im modernen Zeitalter Schuhe, Sandalen, Gürtel, Jacken, Hosen, Handtaschen aus Rindleder selbstverständlich. Die einst unantastbare Aufgabe des Handels mit Lederprodukten ist heutzutage ein gewinn- bringender Handelszweig geworden und die Menschen hier werden immer reicher.

 

Kühe sind in Indien heilig - eine verdammte Lüge. Ansonsten hätten sie die Milch vom Kalbsmund nicht geraubt, die Kuh nicht von Beginn an Knochenarbeit verrichten lassen, sie nicht auf dem Markt verkauft, nicht geschlachtet, nicht das Fleisch gegessen und auch kein Leder verwendet. Rinder können ein Alter von bis zu 30 Jahren erreichen und wenn die Menschen uns mögen, warum lassen sie uns nicht am Leben, genau so wie die Hunde und Katzen? Den an uns gerichteten lobenden Satz "Rinder sind sehr gute Nutztiere" werden wir auf gar keinen Fall akzeptieren. Das Synonym von Nutztier ist Sklaverei und nichts anderes. Als die Menschheit auf der Suche nach Nahrung immer unterwegs war, waren gebietsweise Raubtiere wie Tiger, Wolf oder Löwe aus der Wildnis unsere Hirten. Sie beobachteten uns, fraßen ab und zu ein Rind und hielten das Wachstum der Rinderpopulation unter Kontrolle. Das war das Naturgesetz. Ansonsten hatten wir keine Feinde. Dann wurde der Mensch ansässig, übte Ackerbau, brauchte Arbeitstiere, domestizierte uns und bildete so Feindschaft mit den Raubtieren. Nach einem langen Kampf, wurden die Wölfe und katzenartigen Tiere auf fast allen Erdteilen ausgerottet. So wurden wir versklavt und er Mensch ist auf dem besten Weg, die Natur zu vernichten.

 

Die Lebensbedingungen in den Industrieländern unserer verknechteten Verwandten sind noch gruseliger und nicht ver- gleichbar mit uns hier in Indien. Wie von der Natur festgelegt, werden fast immer die gleiche Anzahl an weiblichen und männlichen Kälbern geboren. Allerdings werden die männlichen Kälber dort sofort nach der Geburt getötet, weil sie unproduktiv sind. Einige glückliche männliche Kälber dürfen einige Wochen alt werden und werden anschließend zu weichem Kalbfleisch umgewandelt und aus deren sanfter Babyhaut werden die Armbänder von teuren Uhren hergestellt. Die Über- lebenden sind die weiblichen Kälber, die rund um die Uhr gefüttert werden. Sie sollen schnell wachsen, so schnell wie möglich trächtig werden, am liebsten nur weibliche Kälber zur Welt bringen und schließlich ein Leben lang Milch erzeugen. Bis zum 4. Lebensjahr produzieren sie ungeheure und überdimensionale Mengen an Milch. Ab dem 5. Lebensjahr wird die Milchmenge jedoch rückläufig. In diesem Zustand werden sie an die Schlachthöfe geliefert, um einen schnellen Gewinn zu erzielen, indem sie zu Fleisch und Leder zerlegt werden.

 

Die Neugeborenen jeglicher Säugetiere ernähren sich ausschließlich von Milch aus derselben Gattung. Das bedeutet, Ziegenmilch wird vom Ziegenkitz oder Kuhmilch von Kälbern gesäugt. Stillen die Menschen mit ihrer Milch andere 'Tierarten? Mit welcher Argumentation konsumieren sie die Nahrung unserer Neugeborenen? Die weltweite Gier an Kuhmilch steigt täglich an und in den nächsten Jahrzehnten wird das Melken auf das Mehrfache ansteigen. Die Begierde der Indus- trienationen ist wettbewerbsmäßig. Sie wollen so schnell wie möglich ihren Anteil an diesem lukrativen Geschäft sichern und somit werden die Fleischberge noch höher. Sie werden die Erde vollständig abholzen, um mehr und mehr Futter zu produzieren. Aber was soll's, die Menschen bevorzugen eher Leder als Wälder. Mittlerweile ist deren gesamte Nahrungs- mittelproduktion weitestgehend von der Rinderzucht abhängig. Milch, Fleisch, Butter, Joghurt, Käse, Sahne und so weiter, diese unnatürlichen Dinge haben einen bedeutenden Anteil in deren Grundnahrung übernommen. Diese Abhängigkeit steigt in direkter Verbindung und diese soll ein wichtiger Rohstoff für deren Bekleidungsindustrie sein.

 

Die Menschen behandeln uns wie abartige Geschöpfe und so verwenden sie Redewendungen wie "blöde Kuh" oder "Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber". Aber das ist ihr Irrtum. Durch unsere Milch und unser Fleisch wurden unzählige Leiden in ihre Körper implementiert. Um unsere Haut zu brauchbarem Leder umzuwandeln, müssen sie über 300 gefährliche Chemikalien verwenden. Dadurch verschmutzen sie die Umwelt und hinterlassen wenig saubere Natur für ihre Nachkommen. Unsere Fäkalien der Massenrinderhaltung verpesten die Luft, degradieren den Mutterboden und verseuchen das Grundwasser so sehr, dass viele fruchtbare Ackerböden unbrauchbar geworden sind und mittlerweile trinken sie im Handel erhältliches Wasser aus der teuren Flasche. Die religiösen Ausschreitungen in Indien sind allein aufgrund der Milch und des Rindfleisches zustande gekommen, weil die Hindus angeblich die Kühe vergöttern und die Moslems sie schlachten. Die Hindus trinken leidenschaftlich Kuhmilch, verkaufen die ausgedienten Kühe an Moslems und ermöglichen dabei Rindfleisch als Nebenprodukt. Dass die Moslems Rindfleisch essen, können die Hindus nicht verstehen und bezeichnen dieses als Sünde. Dieses Dilemma verfügt über keine Lösung.

 

Ihr klugen Zweibeiner, lasst uns frei, zusammen mit den Raubtieren und erhebt keinen Anspruch auf die Wälder. Oder möchtet ihr unsere wunderbare Erde systematisch zu einer Guanoinsel oder einen Gülleplaneten umwandeln?

 

Salim M. Ali

 

 

Brief eines Integrationswilligen an seine Mutter

 

Liebe, liebe Mama,

ich bin schon eine Weile in Deutschland. Die abenteuerliche Reise führte mich hierher, wo ich endlich aufatmen konnte. Wow - es funktioniert hier alles, wie aus dem Bilderbuch. Die Busse, Züge, Straßenbahnen fahren pünktlich; im eiskalten Winter sitzen die hartnäckigen, unbestechlichen Beamten vor dem Sonnenaufgang im Büro, die Medikamente sind nicht verfälscht und eine kleine Menge Geld ist genug, um reichlich einkaufen zu können.

 

Gesetze und Vorschriften zu achten, ist die Devise des täglichen Lebens in Deutschland. Schulpflicht, Steuerpflicht, Meldepflicht und viele andere Pflichten gehören zum Allgemeinwissen. Außerdem handelt es sich um die Verkehrsregeln, Freiheit für alle Menschen, Sauberkeit, Pünktlichkeit und den Verzicht auf Selbstjustiz.

 

Übrigens, das Autofahren hier ist erstklassig. Die Verkehrsregeln sind so überzeugend, dass selbst tief in der Nacht, wenn eine Verkehrsampel rot wird, ein einziger einsamer Autofahrer so lange stehen bleibt, bis die Ampel grün wird. Der fließende Wasserhahn, die ununterbrochene Stromlieferung und der geheizte Wohnbereich vermitteln pure Bequemlichkeit. Das Land ist soweit dezentralisiert, dass sich hier keiner damit brüstet, Hauptstadtbewohner zu sein.

 

Wie du immer sagst, Mama, dass der Schlüssel zu einer Nation die Sprache ist, bemühe ich mich, aus diesem Grund sie zu beherrschen, aber es ist nicht einfach. Fast jedes Hauptwort verfügt über einen eigenen Artikel und über eine eigen Mehrzahl. Der Wagen, die Eisenbahn, das Auto - alles sind Verkehrsmittel mit eigenem Artikel und gleichzeitig sind sie männ-lich, weiblich und sächlich. Die vier Fälle wie Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ sind verwirrend. Ein Beispiel: Mann wird in allen Fällen als der Mann, des Mannes, dem Mann und den Mann dekliniert und Frau nur als die Frau und der Frau; obwohl laut Artikel 3 des deutschen Grundgesetzes für Mann und Frau die Gleichberechtigung herrscht. Das trifft mich auf jeden Schritt und Tritt und weil die Deutschen sehr perfekt sind, muss ich sehr aufpassen.

 

Gegenüber von mir wohnt eine ältere Dame. Am Anfang hat sie mich sehr genau und sehr pingelig beobachtet und mich immer wieder vor Lärmbelästigung und Müllausbreitung gewarnt. Mittlerweile ist sie sehr freundlich, aber sie besitzt einen Hund, vor dem ich mich fürchten muss. Den Hund hat sie einfach kastrieren lassen, vielleicht, damit er nicht einer läufigen Hündin hinterherläuft und sich einem Rudel anschließt. Sie geht regelmäßig durch die Parkanlage mit ihm spazieren und sammelt leidenschaftlich die Hundehäufchen. Am Abend sitzt sie auf dem Sofa, strickt und daneben sitzt ihr Hund und guckt Hundefernsehen. Manchmal darf ich die schwere Wasserkiste in ihre Wohnung tragen und dabei sehe ich, wie sie mit ihm redet und er daraufhin winselt - eine perfekte Partnerschaft, wie ein Herz und eine Seele. Sie hat furchtbare Angst vor Altersarmut, was ich kaum verstehe. Vielleicht braucht sie eines Tages Hilfe, um am Leben zu bleiben und dass die jetzige Rente nicht genug sein wird, um das alles zu bezahlen. Sie sagte, sie hätte Kinder, drei Stück, aber weiß Gott, wo sie leben - ob sie Enkelkinder hat? Aus Mitleid habe ich sie einmal Oma genannt und sie war sofort wütend. "Ich bin nicht Ihre Oma!" und zeitgleich knurrte auch der Köter daneben. Als ich ihr erklärt hatte, dass es nur eine respektvolle Anrede sei, war sie davon sehr angetan und hat für mich als Wiedergutmachung ein paar Wollsocken gestrickt.

 

Ver Vortag war regnerisch, die Luft war kalt und ich war zu Fuß unterwegs. Mich drückte es in der Blase und ich wollte mich erleichtern. Als ich an einem Krankenhaus vorbeikam, erkundigte ich mich an der Information nach einer Toilette und ein riesiger Kerl verscheuchte mich: "Es gibt keine öffentliche Toilette hier!" Dann fragte ich in einer Gastwirtschaft und erhielt die Antwort "Toiletten gibt es nur für unsere Gäste", als suchte ich einen Laternenpfahl aus und schwupps, war die Polizeistreife da. Eine Polizeibeamtin hatte mich auf frischer Tat erwischt, aber freundlicherweise hat sie mich mit einer Ermahnung davoneilen lassen. - § 118 Ordnungswidrigkeitsgesetz, urinieren in der Öffentlichkeit ist strafbar. In diesem Land werden alle registrierten Straftaten einer Person systematisch im Bundeszentralregister eingetragen, was wiederum bei einer Anhäufung von Straftaten, schließlich ins Gefängnis führt, und bei Eingewanderten heißt es - ab in die Heimat.

 

Sicherlich ist hier nicht alles aus dem Himmel gefallen, sondern eine Jahrhunderte lange Herkulesarbeit steckt dahinter. Und ich, Mama, ich muss das alles wissen, alles verkörpern, am Besten sofort, den Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Wenn ich ständig versuche, mich hier anzupassen, und ich alles gelernt habe, bin ich hier integriert und vielleicht für euch dann verdorben.

 

Salim M. Ali

 

 

Donkey Flight - Die Eselfluglinie

 

Glück oder Verhängnis - die Erdölindustrie, verantwortlich auf dem neuen Weltmarkt für Arbeitskräfte. Rony, der junge Mann, Anfang 20, der sein Studium abgebrochen hatte, saß in einem Großraumjet; er wollte die Welt sehen und Geld verdienen. Nach einem mehrstündigen Flug landete die Maschine in Kabul. Sein Zielland war aber der Iran, um dort auf den Ölfeldern zu arbeiten. Eine Arbeitsgenehmigung war ein langwieriger Prozess. Deshalb gab es einen anderen Weg über Afghanistan, frei von Bürokratie. Die weitere Reise ging mit dem Bus in Richtung Nordwesten des Landes. Es war eine kahle Landschaft, eine Gruppe von 20 Männern, 30 voll beladenen Eseln und fünf Begleitern. Die Ladung der Esel war geheim. Der Fußmarsch begann mit einem ungewöhnlichen Eselsgesang.

 

Dies war die berühmte Eselfluglinie, genannt "Donkey Flight", zuerst die moderne Fluglinie und dann folgt der Esel. Die Sonne ging langsam unter, das Umland entpuppte sich als ein monumentales Gebirgstal und irgendwann wurde es so dunkel, dass man die eigene Hand nicht vor Augen erkennen konnte. Als Rony nach oben schaute, sah er einen Himmel mit Milliarden von Sternen. Plötzlich erschreckte ihn ein lauter Knall - "das war eine reife Melone, die geplatzt ist, du Angsthase", lachte ein Begleiter. Kurz vor der Dämmerung schließt sich Rony mit zwei anderen, namens Dorn und Dhir zusammen, und am dritten Tag erreichte das Trio Teheran, wo die Arbeitsrekrutierung im vollen Gange war. Don war ein gelernter Schweißer, Dhir ein Klempner und Rony hatte nie gearbeitet. Mitleidig angeschaut, sagte der Rekrutierer: "Ein abgebrochenes Studium ist kein Beruf, aber dafür kannst du meinem Sohn, dem Koch, in der Großküche assistieren."

 

Im Norden Teherans befindet sich ein weit über 3000 Meter hohes Gebirge, wo Schnee in ungeheurer Menge verfügbar ist. Der Schah vom Iran hatte ein Großprojekt ins Leben gerufen, um die dortigen Schneemassen für die Wasserversorgung zu nutzen. Also hieß es für Rony, Don und Dhir: Ab in die Berge.

 

Die Arbeit in der Großküche wurde zur Routine; Mahlzeiten und Unterkünfte in der Baracke waren kostenlos und das Gehalt kam regelmäßig. Immer wieder sah Rony Versammlungen der Iraner. Es ging um den Schah, der sei ein Vertreter der Interessen Amerikas, er müsse weg, denn Iran gehöre allein den Iranern.

 

Die Unruhen gegen den Schah wurden immer intensiver. Der schlimmste Tag war der schwarze Freitag im September 1978, als Soldaten bei einer Protestversammlung bedenkenlos um sich schossen. Es gab viele Tote, viele Verletzte und dies kennzeichnete das Ende der Monarchie im Iran. Viele ausländische Firmen begannen, freiwillig das Land zu verlassen. Rony, Don und Dhir zogen in eine Stadtwohnung und erlebten tagtäglich Unruhen, die das Leben unmöglich machten.

 

Das Trio entschied sich, nach Griechenland zu fahren, um dort ein Handelsschiff zu besteigen. Die angrenzende Türkei war nur ein Transitland und für ein Honorar von nur 200 Dollar wurden sie durch die türkisch-griechische Grenze gebracht. Anschließend fuhren sie nach Athen. Die Reedereien dort brauchten alles - Klempner, Schweißer und Köche.

 

Sie saßen im Wartezimmer einer Schiffsagentur, als Rony aufgerufen wurde. "Rony, bitte folgen Sie mir", sage ein Agent und Rony lief ihm hinterher. "Wir müssen uns beeilen. Ein Containerschiff ist seeklar, aber es fehlt ein Koch, haben Sie noch Gepäck?" fragte der Agent. "Nein", antwortete Rony, "aber ich muss von meinen Freunden Abschied nehmen." Der Agent sagte: "Das geht jetzt nicht mehr, sie sind in einem anderen Gebäude und wir müssen schnell nach Piräus, dem Hafen von Athen."

 

Ein großes Containerschiff, der Kapitän begrüßte Rony: "Ich bin Alfonso, Ihr Kapitän. Willkommen an Bord der Andromeda." Der Kapitän zeigte Rony die Schiffsküche, damit er sich einen Überblick verschaffen konnte, um fehlende Fressalien nachzubestellen, weil das Schiff in sechs Stunden den Hafen verlassen sollte.

 

Das Leben auf den Weltmeeren fand voller Schwung statt. Die 32-köpfige Schiffsbesatzung hatte ständigen Heißhunger, und Lust, um dauerhaft zu fressen. Egal, was in die Kühlschränke der Kombüse gepackt wurde, es wurde schnell weggeputzt. Alfonso, der Kapitän, war ein wahrer Fresskoloss; besonders liebte er Steaks - medium. Manchmal konnten die Angebote von Fischerbooten mit dem Fernglas beobachtet werden, die Schiffe näherten sich und im Tausch gegen Whiskey und Zigaretten gab es so viel Fisch, dass es für Wochen ausreichte.

 

Die Welt der Ozeane ist grenzenlos. Die Sonne steigt aus dem Wasser und geht im Wasser unter. Es ist faszinierend, wie sich die Delfine mit dem Bug des Schiffes einen Wettbewerb liefern, oder sich größere Wale gegenseitig mit einem Flossenschlag begrüßen. Aber schicksalshafte Erlebnisse sind auch dabei. Einmal wurde die Andromeda mitten auf dem Atlantik von einem Hurrikan erwischt. Bei jeder Windböe und jedem Wellenschlag drohte das Schiff zu kentern. Alles wurde weggeschleudert, selbst das Essen vom Vortag im Bauch. Das Lebensende war nah; und plötzlich, als Rony aufwachte, lag er auf dem Flur, und die Armbanduhr zeigte Mittwoch an, obwohl der Sturm am Sonntag begonnen hatte. Er ging nach draußen und sah tausende von toten Vögeln im Wasser, die bei der Atlantiküberquerung von dem Hurrikan erwischt wurden.

 

Als nach dem Sturm die Andromeda in Veracruz, Mexico ankerte, kam eine neue Fleischlieferung an Bord. Der Kapitän informierte ihn, dass er ein gutes Angebot von Pferdefleisch erhalten und gleich zugeschlagen hatte. Rony wurde still. Er ging in seine Kajüte, schmiss sich auf's Bett und erinnerte sich an seinen Großvater. Er war Landarzt gewesen und auf einem weißen Pferd zu entfernten Dörfern geritten, um Kranke zu behandeln. Mit einem schmalen Rucksack ging Rony zum Kapitän und teilte ihm mit, dass er Gewürze für das Pferdefleisch in der Stadt kaufen wolle. "Wie heißen diese Gewürze?" fragte Alfonso und Rony antwortete: "Bhago-bhago." In Wirklichkeit bedeutete dies, abhauen, abhauen und er dachte dabei: "Alfonso, du Fettsack, mich siehst du nie wieder."

 

Ohne Verzögerung mahm Rony einen Zug nach Tijuana im Norden, hielt sich eine Weile dort auf und bezahlte dann einem Agenten 800 Dollar für die Grenzüberquerung in die U.S.A.. Seinen kleinen Rucksack, und zusätzlich fünf Liter Trinkwasser nahm er mit. Die Hinweise waren - immer nach Norden laufen, keine Laute von sich geben, Steinbrocken nicht umkippen - denn dort ruhen Klapperschlangen. Am nächsten Morgen lief Rony mit Musik im Ohr und tanzte dabei ein bisschen. Ein Mexikaner sagte zu ihm: "Caballero, der Bahnhof liegt in der anderen Richtung. Mach die Erdflecken von deiner Hose weg und übertreibe nicht."

 

Jobbend hier, jobbend da erreichte Rony in drei Monaten San Francisco und fand eine feste Beschäftigung bei einer Tankstelle. San Francisco ist eine Stadt der Menschen aus aller Welt, und es gab kaum Schwierigkeiten, eine Unterkunft zu finden. Für die Arbeit auf einer Tankstation muss man ein Allrounder sein. Die Autowaschanlage, der Minimarkt, die Tanksäulen - man muss buchstäblich über das gesamte Gelände einen Überblick haben. George, der Pächter, in der Mitte der Sechziger, hatte einen 32-jährigen Sohn - Kevin. George hatte ihm Hausverbot erteilt, denn immer wenn Kevin im Laden war, stimmte die Kasse nicht. Emily, die schlanke, großäugige Psychologie Studentin, war perfekt an der Kasse, und unterhielt sich leidenschaftlich mit den Kunden, war sehr gut für Public Relation ist, dafür trug sie keine schweren Getränkekisten. Im Laufe der Zeit wurde Rony ein Mann für alle Fälle und George hatte großes Vertrauen zu ihm.

 

Rony war immer ein Geizhals, aber in seiner Freizeit ging er paritätischen Aufgaben nach und half bei der Essensverteilung an Obdachlose. Der Leiter der Hilfsorganisation stellte ein Gutachten für Rony aus, das er der Einbürgerungsbehörde aushändigen sollte. Dort stand unter anderem: "Rony ist nicht nur eine ehrenamtliche Hilfskraft, sondern investiert auch einen bedeutenden Teil seines bescheidenen Lohns für die Anschaffung der Lebensmittel für unseren Verein."

 

An einem Montag Morgen kam Emily mit verweinten Augen in den Laden. Sie hatte eine Klausur nicht bestanden und wurde deshalb exmatrikuliert. Rony umarmte und tröstete sie und fühlte dabei ihren Tränenfluss durch seine Brusthaare. "Hey, nicht weinen! Hör zu, die Einbürgerung für mich ist durch, und George sucht einen Nachfolger, heirate mich, wir übernehmen den Laden, du machst die Kasse und ich den Rest." Emily wischte sich über ihre Augen, schaute ihn an und sagte: "Meinst du das im Ernst?" Für Rony war es, als würde der Himmel ihm auf den Kopf fallen. "Ich muss dringend draußen was erledigen". Er lief weg und versteckte sich in der Autowaschanlage. Nachmittags war Emily am Telefon. "Du, Rony, wir müssen ernsthaft und ehrlich über alles sprechen."

 

Jahre sind vergangen. Die Älteste von Emily und Rony geht bald ins College. Das Emily-Rony-Unternehmen in der Branche "Tankstation und Minimarkt" hat sich erweitert, und beschäftigt ein paar Dutzend Angestellte. Geld isst man nicht. Das Geld ist zum Verwalten da, und Geizhals zu sein, ist das Prinzip dafür.

 

Die Sonne in der Bucht von San Francisco ging langsam unter und Rony dachte an seine alten Freunde, Don und Dhir, die er aus den Augen verloren hatte, an die Eselskarawane, die platzenden Melonen, den schwarzen Freitag, den Flossenschlag der Wale, den Fischfang mit Fernglas, dem nahen Tod auf dem Atlantik, und der Begleitung durch Schmerz und Freude. Emily streichelte ihm über den Kopf - "Du hast viele graue Haare bekommen." Rony schaute in die Ferne - zum glänzenden Horizont - "Ja, vielleicht ist es an der Zeit, Politik zu machen", sagte er lächelnd.

 

Salim M. Ali

 

 

 

 

Folgende Sachücher habe ich bereits veröffentlicht:

 

Fleisch  - Das Opium des 21. Jahrhunderts

 

Weltweit steigt der Lebensstandard und entsprechend der Fleischkonsum. Fleisch wird allmählich die Grundnahrung der Weltbevölkerung und die Landwirtschaft konzentriert sich auf die Produktion von Nahrungsmitteln tierischer Herkunft. Die wilde Tier- und Pflanzenwelt verschwindet schrittweise, wobei die Tierhaltung und der Futtermittelanbau in den Vordergrund rücken. Ernährungskrankheiten und Umweltkatastrophen bleiben als Erbe übrig, wenn keine rechtzeitigen Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.

ISBN 978-3-7357-2489-2

 

Fleisch - Aus der Perspektive der Welternährung

 

In dem letzten halben Jahrhundert gewann das Fleisch als gewöhnliches Nahrungsmittel zunehmend an Bedeutung. Nicht nur die reichen Nationen sind von diesem phänomenalen Konsumanstieg betroffen, sondern es ist ein weltweiter Trend und in den kommenden Jahrzehnten droht ein ungeheures Szenario des Fleischkonsums. Die gesundheitlichen, wirtschaftlichen, ethischen, ökologischen und die sozialen Aspekte sind die wesentlichen Kernbereiche dieser nahrungsmittelsoziologischen Untersuchung.

ISBN 978-3-8391-8563-6

 

Fisch - Profit, Umwelt und Ernährung

 

Gier und Gedankenlosigkeit der Menschheit führen zur Leerfischung der Weltmeere. Hier rückt die Frage näher, ob Fisch eine natürliche Nahrung für den Menschen ist, so wie für die Robben, Otter, Kormorane, Eisvögel, Delfine oder Wale. Wenn ja, warum kann der Mensch ohne Hilfsmittel keinen Fisch fangen, warum bleiben die Fischgräten ihm im Hals stecken, warum sind die Fischparasiten und die Fischgifte für ihn schädlich?

ISBN 978-3-8391-9895-7

 

Die Kartoffelchance - Eine kleine Pflanze und ihre Möglichkeit, weltweit den Hunger zu beenden

 

Diese Schrift basiert grundlegend auf den Erfahrungen der Hungerbekämpfung Europas im 18. und 19. Jahrhundert. Vor diesem Hintergrund wird hier ein Konzept vorgestellt, um den gegenwärtigen, weltweiten Hunger und die Unterernährung erfolgreich zu bekämpfen.

ISBN 978-3-8145-2110-6